Wissenswertes zur Geschichte und Kultur von Hellerau
- Veröffentlicht: 11. Juli 2012
Historische Wertpapiere aus dem Reichsbankschatz
Der folgende Artikel von Werner Thiele, Bernried, ist der aktuellen Ausgabe der Mitteilungen für Hellerau entnommen.
Der Reichsbankschatz, was ist das? Die Reichsbank in Berlin war bis 1945 auch eine Wertpapiersammelbank. Aktien und ähnliche Wertpapiere, die im Umlauf waren, wurden dort in den Tresoren aufbewahrt. Nach dem 2. Weltkrieg lag die Reichsbank im Ostsektor Berlins und die verwahrten Wertpapiere wurden Eigentum der ehemaligen DDR.
Nach dem Fall der Mauer wurden alle diese Stücke dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen übergeben. Im Jahr 2001war die Prüfung durch das Amt abgeschlossen, die verbliebenen Wertpapiere wurden der Verwertung durch Versteigerungen zugeführt. So kamen ca. 24 Millionen Papiere auf den Markt für Historische Wertpapiere. Die fünfte und letzte Versteigerung war 2009, hier wurden die Stücke versteigert, von denen höchstens 20 vorhanden waren. So erblickten auch zwei Anteilscheine der Baugenossenschaft Hellerau vom 31. März 1909 das Licht der Öffentlichkeit. Beide waren in einen jämmerlichen Zustand. Nach einer Restaurierung wurden sie neben vielen anderen Stücken den Sammlern Historischer Wertpapiere auf Auktionen angeboten. Beide fanden für 430 bzw. 510 Euro (ohne die Nebenkosten von knapp 20Prozent) neue Eigentümer.
Ein Anteilschein aus dem Reichsbankschatz, Quelle: Dr. Busso PeusGedruckt wurden die Anteilscheine bei Poeschel & Trepte in Leipzig, zur damaligen Zeit eine der bekanntesten Buchdruckereien Deutschlands. Wer das Design der Papiere entworfen hat, ist nicht mehr festzustellen. Meine Vermutung ist, dass die Künstler um Richard Riemerschmid, der ja auch als führender Architekt Helleraus gilt, die Hand im Spiele hatten. So erinnert der Unterdruck sehr stark an den Entwurf einer Kassettendecke von Riemerschmid aus dem Jahre 1906. Gezeichnet sind beide Anteilscheine mit den Nummern 718/19 vom Verein Volkswohl Dresden. Unterschrieben sind die Anteilscheine von Wolf Dohrn und Hans Brader. Wolf Dohrn war an der Seite von Karl Schmidt wesentlich an der Gründung Helleraus beteiligt. Beide waren im Vorstand und im Aufsichtsrat der Gartenstadt Hellerau GmbH tätig, sowie im Vorstand der Baugenossenschaft Hellerau GmbH. Die Baugenossenschaft Hellerau wurde zum Zweck der Errichtung von Kleinwohnhäusern gegründet. Sie kaufte das Land von der Gartenstadtgesellschaft zum Selbstkostenpreis und baute Häuser bzw. Häusergruppen und vermietete diese an die Mitglieder der Genossenschaft. Die Mitgliedschaft erwarb man durch den Kauf eines Anteils von 200 Mark. Diese Anteile wurden zu vier Prozent verzinst. Der Mietvertrag war auf unbestimmte Zeit gültig und von Seiten der Genossenschaft nicht kündbar. Über die weitere Geschichte der Baugenossenschaft wissen viele Hellerauer sicher mehr als ich.
Die dritte Säule des Projektes Hellerau, das übrigens durch einen Kredit der Landesversicherungsanstalt des Königreiches Sachsen finanziell abgesichert war, war die Errichtung der Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst Dresden und München GmbH. Bekanntlich war es Karl Schmidt mit seiner Werkstatt in Dresden zu eng geworden. Ich halte den notwendigen Umzug der Werkstätten für den Hauptgrund der Erschaffung von Hellerau. Verbunden mit den fortschrittlichen Ideen Karl Schmidts ergab sich dann der Erfolg. Die Deutschen Werkstätten waren seit 1907 eine GmbH mit einem Stammkapital von einer Million Mark und hatten einen Aufsichtsrat, das dürfte Karl Schmidt überhaupt nicht gefallen haben. 1913 wurde die Gesellschaft durch massiven Druck der Kreditbank in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Damit sind wir wieder beim Reichsbankschatz angelangt. Denn es wurde dort auch eine Gründeraktie der Deutschen Werkstätten AG vom Mai 1914, eine Stammaktie über 1000 Mark, gefunden, ein wunderbarer Jugendstil-Druck von Knorr & Hirth aus München. Im Sammlermarkt ist der neue Besitzer unbekannt, so wird es sicher auch bleiben, denn solche Raritäten verschwinden sehr oft in privaten Sammlungen.